Dem Kometen auf den Schweif geschaut
Astronomie AG der Liebigschule beobachtet Hale-Bopp
Er ist da, und Guido Kratz hat ihn gesehen. Vom Großen Feldberg aus, mit einem kleinen Feldstecher, um sechs Uhr früh und bei lausiger Kälte. Einen echten Sternengucker ficht das nicht an. Das Objekt seiner Begierde ist fürs bloße Auge derzeit noch ein Knirps: "Wenn man genau hinsieht, erkennt man den Schweif", sagt Guido Kratz und zeigt auf den blassen, irgendwie länglichen Fleck auf seinem Foto. Wenn man sehr genau hinsieht.
Nachdem er schon im vergangenen Sommer dem Himmel über Deutschland einen kurzen Besuch abstattete, ist der Hale Bopp in den ersten Januartagen wieder aufgetaucht, nach Hyakutake der zweite große Komet innerhalb weniger Monate. Und weil es so trübe ist, dürften ihm außer Guido Kratz noch nicht viele Frankfurter dieser Tage aufs zart milchige Schweiflein geschaut haben.
Werner Ziegs, Leiter der Astronomie-AG der Liebigschule, ist daher ein bißchen stolz. Der einsatzwillige Hobbyastronom Guido Kratz ist schließlich sein Zögling, auch wenn der 21jährige mittlerweile Wirtschaftsinformatik studiert. "Wer bei uns länger als zwei Jahre dabei ist, bleibt und taucht auch nach dem Abitur immer wieder auf", sagt Werner Ziegs, und die fünf Jungs um ihn herum nicken. 15 gehören derzeit zur AG, die in zwei Gruppen eingeteilt ist. Das hier sind die "Großen".
Auch Mädchen nehmen teil: "20 Prozent", so formuliert es der Physiker Werner Ziegs. Lehrer ist er nicht. Vor über 20 Jahren, im zweiten Semester, sei er in die AG-Leitung reingerutscht. Weil's ihm Spaß macht, fährt er noch heute jeden Montagabend den weiten Weg von Dieburg zur Sternwarte der Liebigschule, um den Astronomen-Nachwuchs auf den rechten Pfad sorgfältiger Himmelsbeobachtung zu führen.
Und das ist längst nicht alles: Behruz Kardan, 16 Jahre alt, entwickelt ein Computerprogramm, das künftige Hobbyastronomen in die Geheimnisse des Sternenhimmels einführen kann. Christoph Schneider, ebenfalls 16, betreut die Internet-Seite der AG, die unter anderem mit einem Quiz rund um Mond und Sterne ausgestattet ist. Und der 17jährige Christoph Reeg automatisiert derzeit eine Kleinkamera per Computerprogrammierung: Nachts soll sie dann Himmelsaufnahmen machen und dabei per Zufallsprinzip Meteoritenströme, sprich Sternschnuppen, erwischen, während ihr Besitzer schläft.
"Vieles was wir machen ist Bastelei", sagt Werner Ziegs. Auch Guido Kratz hat seine Spiegelreflexkamera für Hale Bopp mit einer kleinen Holzkonstruktion versehen: Beim Belichten, etwa zwei Minuten, hat er an einer Schraube gedreht. Sie hebt ein Brett an, auf dem der Fotoapparat montiert ist. "Das gleicht die Bewegung der Sterne aus", erklärt er, "sonst würden sie auf dem Foto zu Strichen. Jeder könne das, sagt er. Guido Kratz' Tips für die, die Hale Bopp schon jetzt in der nächsten klaren Nacht sehen wollen: Kurz vor Sonnenaufgang beispielsweise auf dem Lohrberg oder dem Sachsenhäuser Berg in Richtung Osten gucken, und zwar etwa zehn Grad über den Horizont. Wer die Mühe scheut, wartet bis März: Dann leuchtet Hale Bopp am intensivsten und steht hoch am Himmel.
Bericht aus der Frankfurter Rundschau vom 28. Januar 1997 Text: Frau Steinburg (ith) |
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